Wasserknappheit, Klimakrise und endliche Nährstoffe zwingen uns dazu, alte Systeme zu überdenken. Catharina Meyer vom biz schreibt darüber, wie ökologische Sanitärkonzepte, eine neue DIN SPEC und Projekte wie die „Poop Pirates“ zeigen, dass menschliche Fäkalien längst kein Abfall, sondern ein zentraler Rohstoff im globalen Kreislauf sind und warum es höchste Zeit ist, uns von der Wegspülkultur zu verabschieden.
Während meines Studiums der Bio- und Umweltverfahrenstechnik belegte ich 2012 das Modul Ökologische Sanitärkonzepte. Wir beschäftigten uns damals mit verschiedensten Projekten und Siedlungen, die nicht an die Kanalisation angeschlossen waren. Dieses Modul war für mich mit Abstand das spannendste im gesamten Studium. Leider fand ich danach keinen beruflichen Einstieg in diesen Bereich – das Thema war in Deutschland schlicht noch zu klein. Doch dann erschien der Film „Holy Shit“, und plötzlich wurde vieles wieder lebendig, was mich damals begeistert hatte.
Angesichts der Klimakrise, die sich insbesondere als Wasserkrise zeigt, weiß ich, dass wir dringend Wasser sparen müssen. Der BUND hat zum Wassersparpozential der Toilette hier einen Artikel verfasst. Deshalb frage ich mich: Warum werden Wassersparprojekte nicht dankbar und sofort von Behörden aufgegriffen? Jeder, der den Film Holy Shit gesehen hat, wünscht sich eine Sanitärwende. Aber wie erreichen wir sie?
Ich möchte ein Zitat von Friedensreich Hundertwasser teilen, das die Problematik auf den Punkt bringt:
„Der Kreislauf vom Essen zur Scheiße funktioniert. Der Kreislauf von der Scheiße zum Essen ist unterbrochen.“
– aus Scheißkultur. Die heilige Scheiße.
Wie schaffen wir es, diesen Kreislauf wieder zu schließen?
Ein wichtiger Schritt ist getan: Das Kollektiv KanTe hat eine DIN SPEC veröffentlicht – Qualitätssicherung von Recyclingprodukten aus Trockentoiletten zur Anwendung im Gartenbau. Das klingt technisch, ist aber revolutionär. Denn menschliche Fäkalien sind im deutschen Recht weder benannt noch genormt. Und was nicht benannt ist, kann nicht genutzt werden. Dabei sind Urin und Kot extrem wertvolle Ressourcen. Trotzdem spülen wir sie mit TRINKWASSER die Toilette hinunter.
Die Nährstoffvorräte – besonders von Phosphor – sind endlich und liegen auf anderen Kontinenten. Sie müssen nicht nur über weite Strecken transportiert werden, sondern diese Abhängigkeit hält zudem postkoloniale Machtverhältnisse und Ressourcenausbeutung aufrecht.
Umso wichtiger ist es, Fäkalien endlich als das zu sehen, was sie sind: Stars im Stoffkreislauf!
Im Film Holy Shit wird das Projekt der Poop Pirates in Kampala gezeigt. Ein Artikel im Südwind Magazin hat sie ebenfalls aufgegriffen. Bogere Muhammad Sconto von den Poop Pirates sagt: „Wir nennen die Fäkalien Gold, damit die Menschen ihren Wert erkennen.“ Nachdem sie die Fäkalieneimer eingesammelt haben, bringen sie sie zu einer Anlage mit großen Betonboxen. An der Wand steht: „Poop belongs to the loop“ – „Kacke gehört in den Kreislauf.“
Nur etwa 15 Prozent der Haushalte in Kampala sind an die Kanalisation angeschlossen. Das klingt nach einem Problem, ist aber auch eine große Chance. Natürlich hat eine funktionierende Kanalisation historisch Krankheiten eingedämmt und Gesundheit gefördert. Aber heute müssen wir erkennen: Wir können es uns nicht länger leisten, wertvolle Ressourcen und Trinkwasser wegzuspülen. Nehmen wir uns im Globalen Norden doch ein Beispiel.
Ja, eine Komposttoilette erfordert persönliche Beteiligung. Aber wenn sie gut betreut wird, schenkt sie uns viel zurück: Nährstoffe, Bodenaufbau, Wassereinsparung – und ein neues Bewusstsein.
Es ist an der Zeit, dass wir aufhören, uns für unsere Ausscheidungen zu schämen. Unsere Verdauung ist Teil eines natürlichen Kreislaufs. Und darauf dürfen wir stolz sein.
von Catharina Meyer (Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung, biz)
#proud2poop
Linksammlung:
https://kante.info/download-bereich/fuer-oekoklos/
https://www.dinmedia.de/de/technische-regel/din-spec-91421/330937272
https://www.suedwind-magazin.at/poop-pirates-und-das-grosse-geschaeft/
https://www.naehrstoffwende.org/wp-content/uploads/2023/05/Hundertwasser-Friedensreich_79_80_Scheisskultur.pdf
https://friedrichter.de/proud2poop