Ein Platz für Metta Cordes

Bericht

Ein winziges Stück Innenstadt heißt seit dem Beschluss des Bremer Senats vom 22. Februar 2022, der wiederum auf einer Entscheidung des Beirats Bremen-Mitte beruht, offiziell Metta-Cordes-Platz. Ein kleines Trapez, gerahmt von Knochenhauer- und Carl Ronning-Straße, kaum 120 Quadratmeter groß. Was kann eine so beschränkte Fläche leisten - als physischer Ort, als Diskussions-Anlass, als „Nukleus“ – für was?

Foto von der Enthüllung des Straßenschilds "Metta-Cordes-Platz"

Die Themenstränge, die sich auf diesem Dreieck am Rand der Bremer Innenstadt kreuzen und verbinden, sind vielfältig. Es geht um die eklatante Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Raum, was insbesondere für Frauen aus unterprivilegierten gesellschaftlichen Schichten gilt. Es geht um strukturelle Altersarmut, insbesondere von alleinstehenden älteren Frauen. Es geht um die Wertsetzung und Nutzung von öffentlichem Raum, insbesondere im Spannungsfeld des Konflikts Raum für Autos versus Raum für Menschen. Da alle diese Themen zum politischen Bildungsauftrag der Heinrich Böll-Stiftung Bremen gehören, hat sie 2020 in Gestalt eines Bürgerantrags die Platzgestaltung – und -benennung in die Wege geleitet.

Ein „Metta-Cordes-Platz“ für Bremen! - Heinrich Böll-Stiftung Bremen

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Am 21. Dezember war es soweit, der Platz wurde offiziell eingeweiht. Es ist der Geburtstag von Metta Cordes, und da auch Heinrich Böll an diesem Tag Geburtstag hat, verbanden wir den offiziellen Akt und die Geburtstage mit einer kleinen Glühweinlesung. Dabei traf ein plattdeutscher Text über die kämpferische Kohlhökerin (gelesen von Beirats-Mitglied Wally Steimke) auf einen Auszug aus Bölls Essay „Zur Verteidigung der Waschküchen“ (gelesen von Petra-Janina Schultz von der Bremer Shakespeare Company).

Der von Beirat und Senat gebilligte Vorschlag der Böll-Stiftung, Metta Cordes zur Platzpatronin zu machen (und diesen überhaupt erst als Platz zu gestalten), hat vielfältige Hintergründe. Metta Cordes (1815 – 1905) musste als Witwe mit fünf Kindern um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen und schaffte es, sich in einer männerdominierten Umwelt Respekt, sogar Popularität zu verschaffen.

Allerdings geht es heute nicht darum, die Figur und das Leben der Metta Cordes nostalgisch zu verbrämen, sie als so genanntes „Stadtoriginal“ auf ihre „Volkstümlichkeit“ zu reduzieren, gar um die verkitschende Bemäntelung krasser gesellschaftlicher Härtelagen. Vielmehr geht es darum, ihre Situation sozialpolitisch einzuordnen. Das heißt z.B.: die strukturelle Altersarmut alleinstehender Frauen zu thematisieren.

Anhand des kleinen, aber künftig hoffentlich wachsenden Platzes lässt sich trefflich eine konkrete Kernfrage der künftigen Innenstadt-Entwicklung diskutieren: Findet die Schaffung eines Platzes mit Aufenthaltsqualität Akzeptanz, auch wenn sie auf Kosten von Kfz-Stellflächen geht?